Pfarrer Sebastian Kneipp
Kneipps tägliche Wasseranwendungen waren nach seiner schweren, aber selbst geheilten Krankheit zum festen Bestandteil seines Lebens geworden. Aber wie sollte er sie ausführen? In München fand er keine Möglichkeit, heimlich und unbemerkt in die Isar zu steigen. Freibäder gab es noch nicht und öffentliches Baden war zu jener Zeit noch unvorstellbar. Da sah er zufällig einen Gärtner, der mit dem Gießen der Blumen beschäftigt war, und das brachte ihn auf eine Idee. Abends vor dem Schlafengehen stellte Sebastian Kneipp eine gefüllte Gießkanne bereit um sich dann, wenn alles schlief, seine Wasseranwendungen zu verabreichen.
Nach und nach suchten immer mehr Menschen Kneipps Hilfe, und er behandelte alle, denn er brachte es nicht übers Herz, sie einfach wieder weg zu schicken.
Das brachte ihm aber auch so manchen Ärger ein! So wurde Kneipp nach Wörishofen versetzt in der Hoffnung, dass er in dieser Einsamkeit kein Aufsehen mehr erregen würde. Die Bewohner des Dörfchens hätten sich wohl nie träumen lassen, was dieser Mann für ihren Ort, für sie selbst und für die Zukunft ihrer Nachfahren noch bedeuten würde. Kneipp machte sich sogleich ans Werk und brachte frischen Wind in das beschauliche Dorf.
Am helllichten Tag liefen drei geistliche Herren (Kneipp, sein Vetter Funk und der gichtkranke Pfarrer von Kirchdorf) barfuß durch feuchte Wiesen, was zu damaliger Zeit eine Ungeheuerlichkeit war – das ganze Dorf war außer sich! Immer mehr Kranke standen täglich an der Klosterpforte. Auch den Bauern fiel auf, dass viele Fremde kamen. Im Jahr 1863 übertraf der Zulauf in Wörishofen alles bisher Dagewesene. Die Bevölkerung ärgerte sich wohl auch über die vielen „armen Schlucker“, doch gleichzeitig kamen immer mehr geistliche Herren von großem Ansehen zum Kuren. Auch kamen Vornehme und Wohlhabende und nahmen Quartier im örtlichen Gasthof.
Je mehr (auch unrühmlich) über Kneipp geredet wurde, desto mehr Menschen zog es nach Wörishofen. Mittlerweile kamen nicht nur Kranke, sondern auch Neugierige, die sehen wollten, ob denn all diese Geschichten von den Barfüßigen stimmten. In den Zeitungen las man Schlagzeilen wie: „Feine Damen laufen barfuß in Wörishofen und zeigen vor aller Öffentlichkeit ihre nackten Beine.“ – Für die damalige Zeit ein Skandal.
Die ersten Kurhäuser
Mittlerweile fuhr die Postkutsche zwischen Bahnhof und Wörishofen fünf Mal täglich, bis aufs Dach vollgestopft mit Reisenden. Immer mehr Zeitgenossen wurden nun zu Anhängern und Unterstützern der Wasserkur, gehörten zum Kreis der „Getreuen“ Bader, Wörishofen war auf dem besten Weg zum Kurort.
Als im August 1889 insgesamt 4.000 Heilsuchende in Wörishofen versammelt waren, war dies ein Rekord. Das kleine Dorf platzte aus allen Nähten. Die Betten in den Gasthäusern waren komplett belegt. Alle profitierten und machten gute Geschäfte: Sogar Heuböden wurden an die ärmeren Kneippgäste vermietet. Im Jahr 1893 zählte Wörishofen insgesamt 33.130 Kurgäste, sowie über 100.000 “sonstige Kneipp-Zuläufer“.
1889 eröffneten die Franziskanerinnen von Reute in Biberach an der Riß im Jordanbad die erste ärztlich geleitete Kneipp'sche Wasserheilanstalt Deutschlands. Nach diesem Vorbild entstanden noch viele weitere Kneippkurorte.
Die Kneipp-Medizin und Kneippkur werden heute auch von der Schulmedizin anerkannt und als begleitende Therapie eingesetzt.